Hasenbergturm von 1879 - Ruine seit 1943
Erster Turm mit Aussichtsmöglichkeit auf Stuttgart
Entwurf von Prof. Beyer - ausgeführt in rotem Standstein
Einweihung am 18. August 1879
Sprengung durch das Luftgaukommando am 24. März 1943
Die Bergnase der Stubensandsteinplatte des Birkenkopfes, die in den Stuttgarter Talkessel hineinragt und Stuttgart-West und -Süd trennt, ist der Hasenberg. Dort oben hatten schon in der Mittelsteinzeit Jäger und Sammler ihr Lager gebaut.
Noch 1861 im Jahre der Gründung des Verschönerungsvereins wurde von einer Kommission mit Vorstudien begonnen, welche Objekte in erster Linie zur Schaffung von Grünanlagen in Angriff genommen werden sollten. Dazu gehörte auch der Hasenberg, der damals noch sehr weit außerhalb der bebauten und besiedelten Stadt lag.
Aber schon bald befasste sich der Verein mit dem Projekt eines Aussichtsturmes, da es einen solchen bis dahin in Stuttgart noch nicht gab. Zwei Standorte wurden dafür 1869 ins Auge gefasst. Im Süden an Liaskante beim Exorzierplatz nahe Degerloch und der höchste Punkt des Birkenkopfes, eben der Hasenberg.
Die umfassendere Aussicht ins Stuttgarter Tal und weit darüber hinaus gab es aber dort auf dem Hasenberg. Außerdem war er über die Hasenbergsteige, die ein alter Fernweg war, leichter zu erreichen.
Am 01. Juni 1870 fasste die Generalversammlung auf der Silberburg den Beschluss "zur Errichtung eines etwa 100 Fuß hohen Turmes hinter dem Jägerhaus", das 1852 als Forsthaus gebaut wurde. Es wurde ein Turm-Fond mit 500 Gulden angelegt.
In den folgenden Jahren befasste sich der Verein mit der Beschaffung des Geldes und verschiedenen Architektenentwürfen. Drei renommierte Stuttgarter Architekten wurden verschlissen, vielleicht auch weil sich in den Vereinsgremien zu viele Honoratioren gegenseitig an Klugheit und Ehrgeiz überbieten wollten.
Im Jahre 1878 einigte man sich auf den Entwurf von Prof. Beyer, dem späteren Ulmer Münsterbaumeister. Sein geplanter Turm war 36 Meter hoch, hatte einen Durchmesser von 5,70 Metern und wurde auf 184 Stufen erstiegen. Ein kleines schlankes Türmchen auf Plattform bildete die Spitze. Baumaterial war roter Sandstein aus Gerlingen. Die Kosten für den Turm und die umgebenden Anlagen betrugen dann schlussendlich die für damalige Zeit außerordentlich hohe Summe von 25.802,00 Mark.
Am 06. März 1879, dem 56. Geburtstag von König Karl, wurde der Grundstein gelegt, schon am 18. August 1879 fand die Einweihungsfeier statt. Der Baumeister erhielt als Dank des Vereins einen silbernen, mit dem Bild des Turmes verzierten Pokals überreicht. Die Stuttgarter Zeitungen berichteten von der Einweihung als einem wahren Volksfest im Hinblick auf die Beteiligung der Einwohnerschaft und der Fröhlichkeit des Verlaufs der Feier.
Der Turm war eine landschaftliche Zierde und - schon von weitem aus der Ferne sichtbar - wurde schnell ein neues Wahrzeichen der Stadt. Der Ausblick war grandios. Namentlich das blaue Band der Schwäbischen Alb mit den 3 Kaiserbergen Staufen, Stuifen, Rechberg, der Teck, Neuffen, Hohenzollern bis zum Plettenberg, Teile des Schwarzwaldes, im Norden der Odenwald mit dem Katzenbuckel und im Osten der Schwäbische Wald war zu sehen. Davor der einzigartig schöne Blick auf die alte Residenzstadt.
Das Jägerhaus wurde schnell ein beliebtes Ausflugslokal und Waldhaus. Der Turm, das Ausflugslokal und der günstige Zugang über die Hasenbergsteige und die Möglichkeit mit der hoch interessanten Gäubahn, der Stuttgarter Panoramabahn, zur Hasenbergstation und von dort im kurzen Aufstieg zum Hasenbergturm zu kommen, machten diesen zu einem der beliebtesten Ausflugsziele Stuttgarts und der Umgebung für die Jahrzehnte vor und nach der Jahrhundertwende.
Durch die Eintrittsgelder erzielte der Verein beachtliche Einnahmen, die trotz Aufwendungen für einen Turmwärter und die Instandhaltung einen Überschuss für die Vereinskasse einbrachten.
Im 2. Weltkrieg wurde irrtümlich angenommen, dass der Turm feindlichen Bombern als Orientierungshilfe dienen könnte. Es ist im Frühjahr 1943 niemandem mehr gelungen, zu verhindern, dass die sog. Technische Nothilfe im Auftrag des Luftgaukommandos am 24. März 1943 dieses Wahrzeichen der Stadt, zu dem es in den 64 Jahren seiner Existenz geworden war, in die Luft sprengten. Nur ein Stumpf ist vom Turm übrig geblieben.
Der Verein bemühte sich in den 50-iger Jahren, von der Stadt eine Entschädigung zu erhalten, um mit dieser den Wiederaufbau zu bewerkstelligen. (Nach der damaligen Rechtslage zu kriegsbedingten Schäden war der Anspruch begründet, was auch die Stadt Stuttgart nie abstritt). Die Erlangung der Entschädigung gelang aber nicht, und gegen die Stadt wollte der Verein auch nicht gerichtlich vorgehen. Die Stadt verpflichtete sich aber, auf Dauer eine bescheidene Entschädigung für die entgangenen Eintrittsgelder zu bezahlen.
Heute steht der Turmstumpf als Mahnung an Unverstand und Unvernunft in Kriegszeiten und als Erinnerung an das alte Stuttgart. Geblieben ist die schöne Hasenberganlage, mit dem vom Verschönerungsverein erstellten Wilhelm-Hauff-Denkmal und der Waldeingang zum Bürgerwald, in dem weitere Schöpfungen des Verschönerungsvereins entdeckt werden können.
Die uns häufig gestellte Frage, ob wir irgendwann an einen Wiederaufbau des Turmes denken, haben wir abschließend geklärt und mit Nein beantwortet. Der Grund ist derjenige, dass nach der Aufschüttung des Birkenkopfes (Monte Scherbelino) von dort oben die bessere Aussicht - auch rundum - genossen werden kann, und ein Hasenbergturm an alter Stelle niemals mehr die Bedeutung erlangen würde, die sein historischer Vorgänger hatte. Die Turmruine werden wir aber als Mahnung erhalten. Auf der entsprechenden Fläche des städtischen Grundstücks steht dem Verein auch ein altrechtliches Erbbaurecht zu (Ius Superficiarium).
Fritz Oechßler
Ehrenmitglied